Stadt soll internationale Kulturarbeit stärker fördern

Rose M. Brombach

 

Ausländerfeindlichkeit wird in der BRD zunehmend salonfähig. Die Wahlerfolge von Republikanern und NPD ermutigten auch die CDU in Hessen zu immer aggressiveren Tönen gegen Ausländer. Mit Molla Demirel sprachen wir über Deutsche und Ausländer. Molla Demirel arbeitet bei der BASF. Außerdem hat er zwei Bände mit Gedichten und Kurzgeschichten veröffentlicht. Ein dritter soll bald folgen.

In deinen Geschichten geht es oft um Ausländer in der Bundesrepublik…

 

Molla Demirel: Ich fühle mich aber nicht in erster Linie als Ausländer, sondern als ein internationaler Mensch. Sicher, ich bin Kurde, und Türkisch ist die Sprache, in der ich schreibe. Aber ich lebe und arbeite hier rund sechzehn Jahre. Meine Kinder sind zum Teil hier geboren und gehen hier zur Schule, meine Freunde sind Deutsche, Türken, Portugiesen…

Ich will hierbleiben und mit ihnen zusammen für ein gutes und friedliches Leben eintreten.

 

Hat sich das Verhältnis von Deutschen und Ausländern in den letzten Jahren verändert?

 

Molla Demirel: Schon zu Beginn der siebziger Jahre hat es eine erste Welle von Ausländerfeindlichkeit gegeben. Doch die Argumentation war anders als heute. Damals hatte es erstmals Streiks und Aktionen in Betrieben gegeben, an denen die ausländischen Kollegen nicht nur in großem Umfang teilnahmen, sondern eine tragende Rolle spielten. Das bekannteste Beispiel war der Streik bei Ford in Köln. So hieß es dann “Die Ausländer sollen sich nicht hier in die Politik einmischen, sollen für sich bleiben.“ Heute heißt es „Die Ausländer sind zum Arbieten hier. Wenn keine Arbeit mehr da ist, müssen sie eben gehen.“ Unterstützt wird diese Argumentation, wie z. B. bei Mannesmann, durch Prämien für Ausländer, die zurückkehren. Ausländerfeindlichkeit richtet sich also nach den Interessen des Kapitals.

 

Spürst du die zunehmende Ausländerfeindlichkeit auch in deinem täglichen Leben,

  1. B. im Betrieb?

 

Molla Demirel: In letzter Zeit finden wir auf unseren Schränken im Betrieb häufiger Schriftzüge wie“ Ausländer raus“. Aber Ausländerfeindlichkeit zeigt sich nicht immer nur in aggressiven Sprüchen. Häufiger heißt es: “Du arbeitest mit uns zusammen, wir kennen dich und wollen nicht, dass du gehst .Aber im Ruhrgebiet gibts einfach zu viele Ausländer, das geht nicht immer so!“

 

Du wirst als einzelner Mensch also durchaus geachtet. Trotzdem wird die Formel“ Ausländer raus“ beibehalten?

 

Molla Demirel: Richtig. Aber ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass auch die Deutschen Opfer eine ausländerfeindlichen Politik sein werden. So haben z. B. Grundig und Agfa Teile ihrer Produktion in die Türkei verlegt. Dort produzieren sie jetzt mit Arbeitern , die aus der BRD zurückgegangen sind – mit einem Bruchteil der Lohnkosten. Verloren haben also die Arbeiter, ob Deutsche oder Türken, gewonnen haben nur die Unternehmen.

Letztlich wird nur ein Volk, das Kultur und Tradition seiner Minderheiten achtet, auch sich selbst achten.

 

In  letzter Zeit ist die Diskussion um ein kommunales Wahlrecht für Ausländer aufgeflammt.

 

Molla Demirel: Seit sechzehn Jahren bezahle ich hier Steuern und Sozialversicherung und Versuche gemeinsam mit anderen, mein Leben hier zu gestalten. Deshalb will ich auch wählen. Aber warum soll das nur auf kommunaler Ebene gelten? Wir brauchen ein echtes Wahlrecht für Ausländer!

 

Wo siechst du die wichtigsten Gegenkräfte zur Ausländerfeindlichkeit?

 

Molla Demirel: Vor allem in den Gewerkschaften, aber auch bei Partein wie den Grünen und Kommunisten. Aber es reicht nicht, wenn ein Gewerkschaftsfunktionär beteuert, dass er für die ausländischen Kollegen sei. Sobald die Rechte der Ausländer angegriffen werden. Sonst werden morgen auch die Rechte der deutschen Kollegen abgebaut. Ein weiteres Mittel gegen die Ausländerfeindlichkeit kann die Kulturarbeit sein. Wir möchten unsere Kultur darstellen und bekannt machen, denn nur was man kennt, kann man auch verstehen. Das ist auch eine Forderung an die Stadt. Sie muss die ausländische Kulturarbeit fördern. Bislang sind dafür im Stadthaushalt nur 5000 DM vorgesehen, und dieses Geld soll für etwa 120 Vereine und Initiative ausreichen.

 

 

  26 Apr.1982

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