-Wo steht der Mensch? –

Die Sonne senkte sich über der Stadt, bedeckte sie mit den Farben einer untergehenden Sonne. Mit dem Rauch, der Aufstieg aus den Schornsteinen der Häuser, vollführten ihre Strahlen eine Umarmung am Rande des noch bläulichen Himmels, gleich den Bildern eines dahingleitenden Pinsels in den Händen eines talentierten Malers. Monika fing an das Gemüse zu schneiden, nicht sicher, was sie sonst tun könnte, zudem mit dem Zwang ein Abendmahl kochen zu müssen. Getrieben von dem Gefühl der Einsamkeit glitten ihre Augen jedoch über das Gemüse hinweg aus dem Fenster, wieder und wieder. Einem Betrachter wäre sie wie ein einsam im seinem Nest hockender, beobachtender Vogel vorgekommen. Ein tiefer Seufzer war in ihrer Küche zu hören, an seinem Ende übertönt von den Tönen ihrer Klingel. Auf dem Weg zu ihrer Tür überkam sie der plötzliche Gedanke, daß sie wohl doch noch Freunde besitze. „Warum eigentlich fühle ich mich in letzter zeit immer so ausgeschlossen“, brummte sie vor sich her, auf dem Weg zur Tür.

Lange hielt sie den Türöffner gedrückt, sein Summton war durch das ganze Treppenhaus zu hören. Mit dem Aufschlagen der Haustür erhörte sie an den Schritten des Kommenden, daß der Gast Petra sein würde. Ohne sich anzumelden, ohne eine Verabredung war sie mal wieder gekommen, doch das störte sie bei Petra nicht, mehr noch, bei ihr freute sie sich. Petra war die Freundin, die sie oft besuchte, oft mit ihr telefoniert. Die einzige.

Eine Umarmung, dann gingen sie in die Küche. Petra begann beim zubereiten zu helfen, sie sprachen über den Tag, alles und jeden. Auf einmal schwiegen sie beide, es wurde still im Raum. Eine Minute, zwei Minuten.

Die Stille ergreifend, entschied sich Petra, den Grund ihres Kommens anzusprechen.

„Monika, hast du heute Abend etwas vor?“

„Nein, ich bin zu Hause. Wenn du willst, können wir uns treffen.“

„Ich habe eine Bitte an dich.“

„Eine Bitte?“

“ Ja, eine Bitte. Müslüm und ich wollten heute abend ins Kino gehen. Können wir Rose bei dir lassen? Sag` bitte ja. Ich habe doch sonst niemanden.“

„Wer kann so eine liebe Bitte schon abschlagen? Aber der Mann, mit dem du in letzter Zeit so häufig zusammen bist… Der Mann ist Ausländer, und schwarz ist er auch.“

„Ist es eine Schande Ausländer und dunkelhäutig zu sein?“

„Laß den Quatsch! Müslüm mag ja nett und lieb sein, aber es gibt nun einmal Regeln, die jede Gesellschaft aufstellt und an die man sich zu halten hat. Sich gegen diese Regeln zu wehren, mach alles nur noch schwerer. Alle, die du gern hast, all deine Nächsten werden dich ausgrenzen. Und zwar nicht nur dich, sondern auch dein Kind, wird man ausgegrenzen. Es wird sehr viel Leid ertragen müssen.“

„Jetzt, hör aber auf. Schau, du ich und ich, und alle weißen haben zwei Arme, zwei Beine und zwei Augen. Wir haben alle rotes Blut. Auch die dunkelhäutigen Menschen haben rotes Blut und zwei Arme, zwei Beine und zwei Augen. Auch sie denken mit ihrem Gehirn und arbeiten mit ihren Händen.“

Monika wendet sich an  Petra.

„Ich will keine Diskussionen !“

Petra wendet sich an Monika und fließt von ihre Mund diesen  Zeilen:

„Sag mein Liebe,

sag mein Engel,

wieso leben die Menschen nicht

wie die Vögel wie die Blumen

geschwisterlich zusammen…“

 

„Die Menschheit und die Welt kann man nicht mit die Gedichten zeichnen. Gott gab sich aber bei der Erschaffung der Weißen mehr Mühe!“

“ Erzähl doch keinen Schund! Die Heimatländer der sogenannten Ausländer haben die schönste Natur, Sonne und Meer. Wir träumen doch alle von einem Urlaub in Afrika oder Asien. Die Menschen in Tunesien und Marokko, also in den Ländern, in denen wir unseren Urlaub verbringen, sind schwarz. Du meinst doch nicht im Ernst, daß Gott einen Unterschied zwischen den Menschen macht. Für dich sind doch auch alle deine Kinder gleich!“

„Wir beide können aber nun mal die Gesellschaft nicht ändern. In unserem Haus ist eine Wohnung freigeworden. Der Vermieter wollte die Wohnung an einen jungen türkischen Ingenieur, der hier geboren und aufgewachsen ist, vermieten. Aber die anderen Mieter stellten sich alle dagegen und der Vermieter gab ihm dann die Wohnung nicht.“

„Das ist doch lächerlich. Das grenzt ja an Rassismus. Millionen von Europäern verbringen Jahr für Jahr ihren Urlaub in der Türkei, schauen sich antike Sehenswürdigkeiten an, schwimmen in dem Meer und erholen sich in der sauberen Natur. Die Frauen, die du nur auf ihr Kopftuch reduzierst, nehmen dich als Gast in ihrem Haus auf und bieten dir ihr selbstgebackenes Fladenbrot mit ihrem Herzen an. Die Gastfreundlichkeit der Türken ist bereits seit Jahrhunderten in aller Munde. Noch dazu war die Türkei das einzige Land in beiden Weltkriegen, das uns unterstützt hat.“

„Ich wusste nicht, dass du Geschichte Studiert hast. Na, fehlt noch, daß du sie über uns Multikulturellen Europäer stellst. Kaum bist du in einen schwarzen Mann verliebt, und schon beschuldigst du uns alle des Rassismus.“

„Es waren die ausländischen Migranten, die die Schornsteine der Fabriken erhöhten, die diese Gebäude bauten. Die Straßen sind mit deren Schweiß gepflastert. Wie kannst du nur übersehen, daß sie unseren Wohlstand mit aufgebaut haben.“

„Wenn sie doch so fleißig und begabt sind, dann sollten sie erst einmal ihr eigenes Land aufbauen…“

„Das liegt doch nicht in deren Verantwortungsbereich. Das ist die Staatspolitik.“

„Ich habe keine Lust weiter darüber zu reden. Es war nur gut gemeint. Ich habe nur Angst, daß dir etwas zustoßen könnte. Laß Rose bei mir und geh` ins Kino. Du kannst sie morgen abholen. Aber du solltest noch einmal darüber nachdenken.“

„Ja, danke. Aber du solltest auch über die Dinge, die ich dir erzählte, nachdenken. Stell dich nicht auf die gleiche Stufe wie die Rassisten. Wir sprechen uns später.“

„Petra schau, das Haus gegenüber. Es brennt. Ruf die Feuerwehr. Das Feuer wird noch auf unser Haus über springen. Oh, mein Gott.“

„Die Rassisten, die Rassisten, gestern noch verbrannten sie Bücher, und heute Menschen.“

„Weist du jetzt, was ich gemeint habe. In dem Haus da wohnen nur Ausländer.“

„Laß die Geschwätzigkeit und lass uns besser helfen gehen!“

„Bist du verrückt, Petra?“

„Wenn wir denen nicht helfen, dann wird man morgen mich und übermorgen dich verbrennen und es wird keinen mehr geben, der uns helfen könnte …“

“ Noch dazu, schau auf die Straße, wo du auch hinschaust, nur schwarze Männer. Die  Gewöhnung fällt schwer…“

Petra Schaut in die Augen von Monika und murmelt:

 

“ Sag mein Kleines, Sag mein Rose,

wieso legen sie nicht

ihr Herz in die Waagschale

stehen sie auf der Seite

des Friedens oder des Krieges

der Liebe oder des Hasses

auf welcher Seite stehen die Menschen?“

 

Petra rannte zum Telefon, danach nach draußen, Rose direkt ihr nach. Innerhalb wenigster Minuten war die Rettungsmannschaft schon zur Stelle, bedeckten die Flammen mit riesigsten Strahlen voll Wasser, weißem Schaum. In das unter Flammen gesetzte Haus springend, holten sie alle raus. Auf der Straße bis auf die Ausländer des Viertels, die Feuerwehrmänner und höchstens fünf Deutsche ( ich verstehe diesen Satz nicht). Von dort, wo diese standen, waren sie zu sehen, die anderen Nachbarn, hinter ihren Gardinen stehend und das brennende Haus interessiert beobachtend.

Petra hob ihren Kopf zu den Fenstern, blickte vom Anfang bis zum Ende der Straße in all die Fenster, hinter denen sie standen. „Das soll das Volk der Menschenrechte sein?“ kam es laut aus ihr heraus.

Als das Feuer gelöscht war, gingen sie wieder zurück in ihr Haus, wieder war es Petra, die das Schweigen brach.

„Was wollen die Menschen nur voneinander? Wir alle verdienen unser Geld durch harte Arbeit, warum können sie die anderen nicht in Ruhe lassen, in Frieden brüderlich zusammen leben?“

“ Meinst du, werde die Wellt sich Verändern, wie, geschwisterlich?“ Nicht verständlich!

„Ja, richtig, wieso leben die Menschen nicht wie die Vögel wie die Blumen geschwisterlich zusammen. Wenn die Menschen heute hungrig schlafen, verletzt und in Schmerzen liegen, wenn Kinder im Blut liegen und wie gejagte Tauben um sich schlagen, kann es keinen Frieden geben in dieser Gesellschaft, in dieser Welt. Wenn manche sich in Reichtum sonnen und andere sich in Armut wälzen, muß sich doch der Irrsinn ausbreiten. Dagegen hilft kein Pop, kein Rock, keine Kirchenmusik, nicht die Glocken der Kirchen und auch nicht die Gebetsrufe aus den Moscheen. All das wandelt sich in Kugeln und fließt in die Herzen. Haß und Blindheit bringen die Menschen dazu, sich gegenseitig zu töten…“

„Jetzt mach aber mal eine Pause.“

„Du mußt dich doch nur umschauen. Dann siehst du, daß Rassismus und blinder Aberglauben und alte Traditionen diese Lieblosigkeit und dieses Durcheinander verursachen. Dieses Chaos! Demonstrationen! Drohbriefe! Glauben, der uns durch vierzig teilt! Das ist doch alles nur das Ergebnis von blindem Aberglauben und Überlieferungen!

Faxgeräte, Computer, Farbfernseher können dir nicht die Einsamkeit in deinem Zimmer, in deinem Herzen nehmen!

Wenn es so weiter geht, werden sich Weiße, Schwarze, Inländer und Ausländer in dem gleichen Schmerz, in dem gleichen Dreck wälzen…“

„Gegen Jahrhunderte alte Überlieferung zu rebellieren bringt überhaupt nichts. Du kannst nicht aus dem Schwarzen, der jahrhundertelang Sklave war, einen Herren machen. Selbst wenn du es versuchst, wird die Gesellschaft das verhindern. Du versuchst gegen die Gesellschaft zu rebellieren.“

„Meinst du, daß das so bleiben sollte, nur weil es schon immer so war? Nimm es dem Armen und gib es dem Reichen. Nimm es dem Reichen und steck es in die eigene Tasche. Lass die Tugend versiegen und wende dich der Sünde zu.“

„Du hast dich verändert, seitdem du den Ausländer kennen gelernt hast. Du hast dich sehr verändert.  Du solltest dich von ihm trennen und zumindest für einige Zeit weggehen. Vielleicht wird dir das helfen, wieder zu dir zu kommen.“

„Was ist das den für ein Einwand? Was für ein Chaos? Was soll man zu dem was herrscht, was gemacht wird, sagen?  Jedemenge Sorgen! Rebellion zu Hause! Rebellion in der Stadt! Rebellion gegen das Leben! Rebellion gegen die, die die Liebe verbieten!“

„Wir sollten das Thema besser schließen und ein Glas Bier trinken.“

„Schau runter auf den Spielplatz. Schau dir die hübschen Kinder auf der Schaukel und auf der Rutsche an. Sie haben schwarze und blonde Haare, sie haben blaue, dunklen und rehbraune Augen. Einer hübscher als der andere, sie sind die schönen Steine eines schönen Mosaiks. Ohne den Einfluß der Erwachsenen würden sie ohne eine Trennung von Sprache und Rasse zu machen, zu Schmetterlingen zusammen schmelzen und zusammen fliegen. Glücklich…“

„Wir waren auch Kinder. Wir haben nur deshalb keine Trennung machen können, weil wir das Gute vom Bösen nicht trennen konnten.“

„Wir waren damals aber alle glücklich. Jetzt sind alle unglücklich, weil sie alle vorbelastet sind. Kinder finden draußen ihre Freiheit und ihr Glück. In den Familien und in der Schule sind sie unglücklich. Insbesondere die Kinder von Migranten. Denn in der Klasse, in den Behörden werden sie einer ernsthaften Kontrolle unterzogen. Dabei haben wir alle salzige Tränen und rotes Blut, das durch unsere Adern fließt. Auf den Flügeln von Vögeln schicke ich ihnen meine Küsse, im Namen aller Propheten wünsche ich ihnen alles Gute…“

„Gott möge dir helfen, du wirst noch einiges erleben.“

„Wenn ich die Heiligen Schriften lese, denke ich manchmal, daß Gott die Gebete nur in eigenem Sinn entsandt hat. Die meisten Gebote oder Befehle verletzen mich als Frau wie die Gesetze der Herrscher. Ich verstehe nicht, weshalb es diese Trennung gibt. Jeder Mensch ist doch nur zu Besuch auf dieser Erde, die Erde ist das einzige, das bleibt.“

„Na, jetzt mischst du dich auch noch in Gottes Angelegenheiten ein. Meinst du nicht, daß das ein bißchen viel wird?“

„Schau sie dir an, die schwarzhaarigen und blonden Kinder. Hier der Mustafa, mit den kohlschwarzen Augen. Er ist in Roses Klasse. Er hat Noten, nur aus Liebe gemacht. Wie ein Teppich sind sie in seinem Herzen gewebt. Ich lausche ihm manchmal, er redet wie ein Gedicht…“

„Du bist wirklich verrückt. Es ist schwer dich zu verstehen.“

„Es gibt zwei Dinge, zwei Ansichten in der Gesellschaft, die zu verstehen und nicht zu verstehen sind. Bei einigen wird die Liebe und das Verhalten durch Traditionen beeinflußt. Bei anderen wiederum ist es das Herz. Ein Kampf zwischen zwei Klassen, zwischen zwei Fronten. Manche Kinder haben nicht einmal Nudeln zum Essen, anderen wiederum kann man nichts Recht machen. Es ist wie das Spiel der Gezeiten. Ebbe und Flut…“

„Das Feuer der Liebe hat deinen ganzen Körper bedeckt. Deswegen, möchtest Du keine Person anhören und  verstehen.“

Sie hat  die Löffel aus de ihrer Hand auf Tisch geschmissen.  Dann sagt sie:

 

Sag meine Rose,

mein Herz ist verbunden mit der Liebe, dem Frieden

auf welcher Seite steht das Menschenherz,

das die Fische im Wasser

die Vögel am Himmel

den Samen in der Erde

diese wunderbaren Blumen

vernichtet?

Steht es auf der Seite des Friedens oder des Krieges ?

 

Monika merkt, dass Petra  sehr traurig ist. Sie versucht sie wieder zu beruhigen:

„Wie wäre es, wenn ich die Gläser mit Bier fülle und Musik auflege…“

„Ja, das wäre gut. Musik ist der Schlüssel zu dem Herzen, Musik ist die Sprache der Liebe.“

„Du solltest die Liebe besser vergessen. Du machst uns noch alle krank damit.“

„Das hätte ich niemals von dir erwartet, Monika. Ich hatte dich immer so gern, aber ich muß mich doch nicht für meine Liebe schämen.“

„Wenn ich dich nicht auch gern hätte, würde ich dir so etwas nicht sagen. Wir können nicht gegen den Strom schwimmen. Die Gesellschaft ist wie der Strom, die Regeln sind unantastbar. Wenn du gegen sie verstößt, wird sie dich ohne mit der Wimper zu zucken verbrennen. Egal wie sehr sie auch behaupte eine mulikulturelle Gesellschaft zu sein, Fremde werden eben schwer akzeptiert. Schau selbst die Völker, die jahrhundertelang zusammen lebten, morden sich gegenseitig. Wie tolerant können dann Völker sein, die gerade seit dreißig Jahren zusammen gekommen sind? Diese sogenannte mulikulturelle Gesellschaft ist für den Europäer nur ein Ausdruck ohne einen eigentlichen Sinn zu  haben. Es ist noch nicht reif für das Zusammenleben mit einem andersfarbigen Menschen und einer anderen Kultur. Meiner Meinung nach kann heutzutage ein Zusammenleben von Weißen und Schwarzen noch nicht im Einklang stehen…“

„Das ist doch Rassismus! Das ist unverschämt. Warum glaubt ihr nicht, daß blond, schwarz, weißhäutig, blau- und Schwarzaugig…“

“ Ich habe früher nie geglaubt, wenn man sagte, Liebe macht blind…“

„Ich bin verliebt in die Liebe, in die Achtung und Aufrichtigkeit. Ohne dies kann ich nicht einmal mehr den Morgen lieben, meine Süße. Ohne ihn bin ich wie Asche, der das Feuer ausgegangen ist.

Nach diesen Satz atmet sie einmal ganz tief durch und spricht dann weiter:

„Ein Dichter hat das in einigen Sätzen so ausgedrückt:

Sag mein Engel

wieso leben die Menschen nicht

fleißig wie die Ameisen

geschwisterlich wie die Bienen

in diesem großen Bienenkorb der Erde

zusammen?

 

In dieser Geschichte steht meine ganzen Gefühle. Wenn unterschiedliche Sprachen, Farben und Kulturen miteinander leben ist das wie ein Garten mit tausenden von Blumen,  mit tausenden von Fruchtbäumen. Jede einzelne hat einen einzigartigen Geschmack, einen unvergeßlichen einzigartigen Duft. Die Kinder wissen das. Aber irgendwann zerstören wir sie dann, genauso wie wir die Erde zerstören…“